12. Dezember 2025 | 5 Min. Lesezeit
Herr Strömsdörfer, die Hälfte der Deutschen nutzt inzwischen KI-Chatbots für Recherchen. Welche Veränderung sehen Sie gerade im Nutzerverhalten?
Jörg Strömsdörfer
Wir erleben den größten Shift seit dem Smartphone. Nutzer wollen keine Listen mehr, sie wollen Antworten. KI liefert genau das: sofortige Zusammenfassungen, klare Handlungsempfehlungen, eine dialogbasierte Suche.
Gerade jüngere Zielgruppen „googeln“ nicht mehr – sie chatten ihre Informationen herbei. Für Unternehmen bedeutet das: Die Zeiten, in denen man nur für Google optimiert hat, sind vorbei. Heute müssen wir für ein hybrides Ökosystem optimieren, das aus klassischen Suchergebnissen und KI-Modellen besteht.
Sie sprechen von hybriden Ökosystemen. Warum ist KI aber gleichzeitig so fehleranfällig? Die EBU spricht von 45 % signifikanten Fehlern.
Jörg Strömsdörfer
Weil Sprachmodelle keine Faktenmaschinen sind.
Sie berechnen Wahrscheinlichkeiten.
Wenn man weiß, wie diese Modelle funktionieren, überrascht die Fehlerquote nicht. Der Output ist ein statistisch plausibler Text, nicht zwingend die Wahrheit.
Die großen Risiken entstehen aus drei Faktoren:
1. Veraltete Trainingsdaten – aktuelle Themen werden oft falsch eingeordnet.
2. Halluzinationen – KI „erfindet“ Quellen, Zahlen oder Zusammenhänge.
3. Ein KI-Loop – immer mehr Inhalte im Web sind selbst KI-generiert. KI lernt also zunehmend von KI.
Und genau hier wird es gefährlich für Unternehmen: Wenn KI falsche Informationen über Marken, Produkte oder medizinische Inhalte ausgibt, leidet die Glaubwürdigkeit – obwohl die Marke selbst nichts dafür kann.
Viele Unternehmen fragen sich: Ist KI dann überhaupt eine zuverlässige Suchmaschine?
Jörg Strömsdörfer
Nein. Und das sagen wir sehr deutlich.
KI ist
kein Ersatz für klassische Suche – sie ist ein „Interpretationslayer“. Ein Assistent, der Informationen umformt und neu kombiniert.
Deshalb stimme ich der Aussage von Prof. Katharina Zweig zu:
Die erste Regel lautet: KI nicht als Suchmaschine verwenden.
Für kreative Prozesse ist KI fantastisch. Für Recherche ist sie nur dann brauchbar, wenn man weiß, wie man Antworten verifizieren muss.
Wenn klassische SEO nicht mehr ausreicht – wie verändert sich die Strategie?
Jörg Strömsdörfer
Wir sprechen hier über den neuen Bereich GEO – Generative Engine Optimization.
Es geht nicht mehr nur darum, für Google zu ranken, sondern darum,
für KI-Assistenten sichtbar, zitierfähig und vertrauenswürdig zu werden.
Die neuen Erfolgsfaktoren sind:
1. Authority-Content: hochwertige, fachlich korrekte Inhalte, die KI als „sichere Quelle“ erkennt.
2. Brand-Reputation: KI bevorzugt starke Marken mit klarer digitaler Identität und vielen externen Erwähnungen.
3. Strukturierte Daten und semantische Signale: Nur wer technische Klarheit erzeugt, taucht in KI-Zusammenfassungen auf.
4. Publications & Offpage-Signale: Studien, Interviews, Erwähnungen in hochwertigen Medien – sie sind für KI Gold wert.
Viele Unternehmen unterschätzen das noch völlig. KI „zitiert“ keine schlechten Websites. Sie sucht nach vertrauenswürdigen Mustern. Genau das optimieren wir für unsere Kunden.
Laut Studien zeigen KI-generierte Antworten oft Inhalte von Websites, die nicht in den Top-10 von Google stehen. Wie erklären Sie das?
Jörg Strömsdörfer
Google misst Sichtbarkeit an Relevanz für den Menschen.
KI misst Sichtbarkeit an Relevanz für das Modell.
Das sind zwei völlig unterschiedliche Berechnungssysteme.
Deshalb passiert es, dass eine Website, die bei Google nicht sichtbar ist, in KI-Antworten trotzdem landet, wenn das Modell dort passende Formulierungen oder klare Strukturen findet.
Für Unternehmen heißt das:
– Wer KI-gerecht schreibt, gewinnt Sichtbarkeit, auch ohne Platz 1 in Google.
Das ist eine enorme Chance – aber nur für jene, die die neuen Regeln kennen.
Wie sollten Unternehmen auf diese KI-Entwicklung reagieren? Was sind Ihre wichtigsten Empfehlungen?
Jörg Strömsdörfer
Ich gebe drei klare Handlungspunkte:
1. Inhalte auditieren
Welche Inhalte sind korrekt, welche sind veraltet, welche riskieren Fehlinterpretationen?
2. KI-Sichtbarkeit aufbauen
Das bedeutet:
– Fachartikel
– Interviews
– Branchenpublikationen
– Autorenprofile
– strukturierte Daten
– Expertise-Signale
Kurz: Man muss trainierbar werden.
3. Eigenen Datenraum schaffen
Gerade in regulierten Bereichen (Medizin, Recht, Finanzen) ist es wichtig, dass KI nicht irgendetwas erfindet. Unternehmen müssen klar kommunizieren, welche Informationen verbindlich sind – und KI lernfähig machen.
Wir bauen das für Mandanten regelmäßig als ganzheitliche GEO-Strategie auf. Und das funktioniert hervorragend, weil KI zuverlässige Inhalte immer bevorzugt, sobald sie verfügbar sind.
Zum Schluss: Wird KI die klassische Suchmaschine ersetzen?
Jörg Strömsdörfer
Nein – aber sie wird sie erweitern.
Der Mensch will zwei Dinge:
•
schnelle Antworten
•
vertrauenswürdige Informationen
KI liefert Geschwindigkeit.
Google liefert geprüfte, konsistente Quellen.
Beides wird parallel bestehen. Aber:
Nur Unternehmen, die in KI-Sichtbarkeit investieren, werden langfristig in beiden Welten relevant bleiben.
Dieser Wandel ist kein Trend – es ist die neue Infrastruktur des Internets. Und wir stehen erst am Anfang.